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Innovation vs. Stabilität

In der Welt der IT stehen Unternehmen ständig vor der Herausforderung, Innovationen voranzutreiben, während sie gleichzeitig die Stabilität und Funktionalität ihrer Systeme gewährleisten müssen. Diese oftmals gegensätzlichen Ziele sind zentrale Aspekte für den langfristigen Erfolg in der sehr schnelllebigen IT Welt.

Die Bedeutung von Innovation

Innovation ist der Motor des Fortschritts in der IT. Sie ermöglicht es Unternehmen, neue Märkte zu erschließen, die Effizienz zu steigern und auf die sich ändernden Bedürfnisse der Kunden zu reagieren. Innovation kann in der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen oder in der Optimierung bestehender Prozesse liegen.

In einem Umfeld, das durch schnelle technologische Veränderungen geprägt ist, kann die Fähigkeit zur Innovation darüber entscheiden, ob ein Unternehmen führend in seiner Branche bleibt oder ins Hintertreffen gerät.

Die Rolle der Stabilität

Während Innovation für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich ist, bildet eine stabile Systemlandschaft das Fundament, auf dem alle Prozesse aufbauen.

Stabile Systeme sorgen für kontinuierliche Geschäftsabläufe, schützen vor Datenverlust und gewährleisten die Sicherheit von Kundeninformationen. In der Praxis bedeutet Stabilität, dass Systeme zuverlässig funktionieren, Ausfallzeiten minimiert werden und die IT-Infrastruktur gegenüber Störungen resilient ist.

Die Probleme im Fundament

In den letzten Jahren hat die rasante Entwicklung und zunehmende Verbreitung von Container-Technologien, Container-Orchestrierung und Cloud-Lösungen die IT-Landschaft nachhaltig geprägt. Diese dynamische Evolution birgt jedoch auch Herausforderungen: Während der Fokus auf Innovation und Skalierbarkeit liegt, geraten Probleme, Fehler und Schwachstellen in der zugrundeliegenden Software und den eingesetzten Bibliotheken immer mehr in den Hintergrund.

Häufig werden in zentralen Softwarekomponenten, die bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten im Einsatz sind, gravierende Sicherheitslücken entdeckt. Oftmals sind diese Lücken auf einfache Programmierfehler zurückzuführen, die mit minimalem Aufwand hätten behoben werden können. Ein wesentlicher Schritt zur Vermeidung solcher Sicherheitsrisiken wäre, Entwicklern und Testern ausreichend Zeit und Budget zur Verfügung zu stellen, um auch ältere Software kontinuierlich weiterzuentwickeln und umfassend zu testen.

Aber warum wird genau das so oft nicht umgesetzt?

Damit schließt sich der Kreis zum Thema Innovation und Weiterentwicklung: Zeit und Budget fließen bevorzugt in diesen Bereich. Dies ist nachvollziehbar, doch dabei wird oft übersehen, dass viele Neuerungen auf dem instabilen Fundament „alter“ Technologien aufbauen.

Für IT-Betriebsteams wird diese Realität häufig zur Quelle von Stress und schlaflosen Nächten, da sie nicht nur operative Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch kostspielige und zeitaufwendige Konsequenzen für Unternehmen nach sich ziehen kann.

Viele kennen die Befürchtung, dass der nächste kritische CVE-Eintrag in einer weit verbreiteten Bibliothek (wie etwa glibc) zu einem wahren „Patch-Marathon“, Hotfixes für zahlreiche Softwarekomponenten und darauffolgenden zeitkritischen Rollouts führen könnte.

Zwar lässt sich der Aufwand durch Automatisierung und Standardisierung in vielen Fällen reduzieren, doch stößt das in manchen Situationen an seine Grenzen und erfordert „manuelles“ eingreifen.

Dies führt uns zu einem weiter wichtigen Punkt: der Komplexität.

Die Herausforderung mit der Komplexität

Komplexität in IT-Landschaften und die Abstraktion durch Softwareentwicklungs-Frameworks ist ein Phänomen, das mit der rasanten Entwicklung neuer Technologien stetig zunimmt. Diese Komplexität entsteht durch die Vielfalt und allem voran die Vernetzung von Komponenten, Technologien und Prozessen, die in modernen IT-Landschaften zum Einsatz kommen.

Ursachen

Die Gründe für die wachsende Komplexität in IT-Landschaften sind vielfältig. Einerseits führen die fortschreitende Digitalisierung und die Notwendigkeit, innovative Lösungen schnell auf den Markt zu bringen, zu immer komplexeren Softwarearchitekturen. Andererseits erhöht die Integration verschiedener Technologien – von Cloud-Services über Microservices bis hin zu Container-Orchestrierung – die Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen Systemkomponenten. Hinzu kommen fortlaufende Updates, Patches und die Notwendigkeit, Legacy-Systeme zu integrieren oder zu ersetzen, was die Gesamtkomplexität weiter steigert.

Auswirkungen

Die Komplexität hat weitreichende Auswirkungen auf die Organisation und das Management von IT-Landschaften. Sie kann die Fehleranfälligkeit erhöhen, da die Abhängigkeiten zwischen Komponenten unvorhergesehene Probleme verursachen können. Zudem erschwert sie die Wartung und Weiterentwicklung der Systeme, da für das Verständnis und die Modifikation eines komplexen Systems tiefgreifendes Fachwissen erforderlich ist. Dies kann zu längeren Entwicklungszeiten, höheren Kosten und Herausforderungen bei der Sicherstellung der Systemstabilität führen.

Die Notwendigkeit von Fachwissen wird in diesem Kontext häufig unterschätzt. Frameworks und benutzerfreundliche Frontends, die es ermöglichen, Komponenten intuitiv zusammenzustellen oder auf standardisierte Funktionen zurückzugreifen, vereinfachen die Arbeit erheblich – solange alles reibungslos funktioniert. Doch was geschieht, wenn unerwartete Fehler auftreten oder das gesamte System ausfällt?

Oftmals mangelt es an dem erforderlichen Fachwissen, um die zugrundeliegenden Komponenten zu verstehen, Probleme zu analysieren und effektiv zu lösen. Dies führt zu zwei vorherrschenden Ansätzen im Umgang mit solchen Problemen:

  • „Fail Forward“: Es werden Anpassungen am Code und den Konfigurationen vorgenommen, bis das System wieder funktioniert.
  • Ein komplettes Neu Aufsetzen der Umgebung, was im Bereich von Containern, Cloud-Lösungen und Automatisierung oft schneller realisierbar ist als langwierige Debugging-Sessions mit ungewissem Ausgang.

Diese Ansätze adressieren jedoch nicht die zugrundeliegende Problematik, wodurch sich der Zyklus von Fehlern und deren Behebung fortwährend wiederholt.

Lösungen?

Leider existiert keine einfache Lösung für diese Probleme, da sie oft auf finanziellen, organisatorischen und zeitlichen Einschränkungen beruhen, ebenso wie auf einem Mangel an erforderlichem Fachwissen.

Open-Source

Viele Unternehmen setzen auf Produkte und Technologien, die auf Open-Source-Projekten basieren. Eine verstärkte finanzielle oder personelle Unterstützung dieser Open-Source-Projekte könnte bereits einen großen Unterschied machen. Dies wird in einigen Bereichen bereits praktiziert, doch liegt der Fokus oft auf den aktuell „trendigen“ Projekten. Es bedarf eines nachhaltigen Umdenkens, Bibliotheken und systemnahe Komponenten, die die Basis für viele Anwendungen bilden, hier stärker in den Vordergrund zu rücken. Da diese die Grundlage für so viele andere Projekte sind.

Jagd nach neuen Trends

Ein weiteres Problem ist die konstante Jagd nach den neuesten Trends. Technologieentscheidungen werden oft auf Ebenen getroffen, die weit entfernt von der technischen Umsetzung sind. Dies führt dazu, dass bestehende, funktionierende IT-Landschaften zugunsten neuer Technologien, die momentan als „die Lösung“ gehandelt werden, umgestaltet werden. Obwohl dies in vielen Fällen angemessen sein mag, sollte kritisch hinterfragt werden, ob der Austausch funktionierender Systeme wirklich notwendig ist. Der bekannte Rat „Never touch a running system“ ist zwar keine universelle Lösung, hier ist ein ausgewogener Ansatz erforderlich. Wichtig ist dabei, die vorhandenen Anforderungen zu verstehen, zu bewerten, wie diese umgesetzt werden können, und welche Ressourcen dafür zur Verfügung stehen.

Fachwissen aufbauen

Entwicklerteams, QA Teams, Betriebsteams, usw. müssen die Zeit bekommen sich tiefgehend in eine Thematik einzuarbeiten. Bei Problemen lässt sich dadurch nicht nur Zeit einsparen, es können auch nachhaltigere Lösungen entstehen.

Wenn man dann die entwickelte Lösungen und das erlente Wissen auch noch öffentlich z.B als eigenes Open Source Projekt oder als Anpassungen an bestehenden Projekten zur Verfügung stellt, ist das auch zusätzlich noch gutes Marketing für ein Unternehmen.

Fazit

Für die hier geschilderten Herausforderungen und Probleme ist es notwendig ein Gleichgewicht zu finden, das es Unternehmen ermöglicht, an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen, ohne die Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Systeme zu gefährden. Die zunehmende Komplexität von IT-Landschaften, gepaart mit dem schnellen Wandel durch neue Technologien wie Container-Orchestrierung und Cloud-Lösungen, hat jedoch das Risiko von Sicherheitslücken und Systemausfällen erhöht. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, auch in das Verständnis und die Weiterentwicklung bestehender Technologien zu investieren.

Die Lösung dieses Dilemmas erfordert ein Umdenken in der Art und Weise, wie Zeit und Ressourcen allokiert werden. Anstatt ausschließlich auf neue Trends zu setzen, müssen Unternehmen auch die Pflege und Weiterentwicklung ihrer bestehenden Systeme priorisieren. Dies beinhaltet die Förderung von Fachwissen innerhalb ihrer Teams und die Unterstützung von Open-Source-Projekten, die oft die Grundlage für die Entwicklung innovativer Lösungen bilden.

Letztendlich ist es die Verantwortung der Unternehmen, eine Kultur zu pflegen, die sowohl Innovation als auch Stabilität wertschätzt. Dies bedeutet, Entscheidungen nicht allein auf der Grundlage aktueller Trends zu treffen, sondern eine langfristige Perspektive einzunehmen, die sowohl die Potenziale neuer Technologien als auch die Bedeutung einer soliden, zuverlässigen IT-Infrastruktur berücksichtigt.

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